Sehr geehrter Herr Bürgermeister Molt,
sehr geehrte Damen und Herren,
zum Zeitpunkt der letzten Haushaltsrede im Januar 2020 war Corona noch kein Thema, das uns beschäftigte und so verwundert es nicht, dass die Zielsetzungen und Impulse des letzten Jahres großteils nicht umgesetzt oder vorangetrieben werden konnten.
Vieles musste zu Gunsten von Kontaktnachverfolgung oder anderen Organisations-Aufwänden im Zusammenhang mit der Pandemie zurückgestellt werden (Stichworte: Umsetzung von Verordnungen, Gestaltung der Notbetreuung, Erstellung und Genehmigung von Hygeneplänen, Organisation der Verwaltung unter Pandemiebedingungen im und außerhalb des Rathauses, …).
Corona hat uns aber auch gezeigt, was uns wirklich wichtig ist und auf was wir im Zweifel auch mal verzichten können. Diese Erfahrung kann und sollte uns auch zukünftige Haushaltsplanungen leiten. Wir haben schon immer darauf hingewiesen „notwendiges“ von „wünschenswertem“ zu trennen. Corona hat uns deutlich gemacht, was wirklich notwendig und für uns als Kommune und Gesellschaft, auch zukünftig wichtig ist: Eine leistungsfähige Verwaltung, gute Kinderbetreuung in KiTa und Schule, eine robuste und anpassungsfähige Wirtschaft, Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens, Orte mit Aufenthaltsqualität wie den Bürgerpark oder unsere schützenswerte Natur mit Weinbergen, Streuobstwiesen und dem Wald als Erholungsort.
Im Haushalt 2021 sind bereits Pandemie-bedingte Mindererträge von fast 1,8 Mio.€ zu befürchten und daher so berücksichtigt. Der Handlungsspielraum und die Möglichkeit Wünsche (Stichwort „Freiwilligkeitsleistungen“) zu realisieren reduziert sich also weiter.
Die bisherigen Auswirkungen von Corona auf den kommunalen Haushalt sind zwar mit -1,48 Mio.€ in 2020 unterm Strich schmerzlich. Doch die Finanzierungslücke von ~3,33 Mio.€ konnte zumindest teilweise durch Sonderhilfen von Bund und Land in Höhe von fast 1,9 Mio.€ auf eine für die Kommune belastende, aber gerade noch zu schulternde Last reduziert werden.
Leider gilt dies nicht für andere Finanzierungsintensive Bereiche. Größter und am schnellsten wachsender Bereich ist hier die Kinderbetreuung. Hier wird vom Bund bestellt und muss von den Kommunen bezahlt werden. Der Kostendeckungsgrad von meist weniger als 20% bedeutet, dass auf jeden Euro in Form von Kindergartenbeiträgen o.ä. die Kommune, also wir alle nochmal 4€ oben drauflegen.
Ein gleiches Spiel deutet sich gerade in den Grundschulen an. Die Ganztagsbetreuung wird wohl vom Schulträger, also der Kommune, sichergestellt werden müssen, ohne dass dafür auskömmliche Finanzierungshilfen zur Verfügung gestellt werden. Auch dies wird unseren Haushalt in absehbarer Zeit nachhaltig stark belasten. Eine Lösung dafür zeichnet sich nicht ab und ist durch Sparen an anderer Stelle nicht zu finden. Daher muss hier über den Gemeindetag eine grundsätzliche Lösung gefunden werden: Bund und Länder müssen für solche „Bestellungen“ den Kommunen auskömmliche Finanzmittel zur Verfügung stellen!
Die Personalkosten steigen ebenfalls kontinuierlich an, da Aufgaben und Erwartungen an die Kommune stetig wachsen. In 2021 sind wir bei 11,4 Mio.€ angelangt, ein Plus von 63% (!!!) zu 2014 (da 7,0 Mio.€).
Schulden werden ja gerne als süßes Gift bezeichnet. Auch wir bedienen uns gern und leider allzu oft dieses Mittels. Die Gesamtverschuldung der Kommune steigt bis Ende 2021 auf 24,9 Mio.€ (6,9 Mio.€ (Kernhaushalt) + 7,6 Mio.€ (Eigenbetrieb) + 10,4 Mio.€ (Abwasser)) und wachsen u.a. durch den Bau der Kindergärten bis 2024 auf 37,1 Mio.€ (12,6 Mio.€ + 11,2 Mio.€ (Eigenbetrieb) +13,3 Mio.€ (Abwasser)) weiter an. Eine gewaltige Summe, die in den Folgejahren und vermutlich noch von unseren Kindern zurückgezahlt werden muss.
Der Motivationstrainer Oliver Schultheiss nennt folgende Faktoren, damit gute Vorsätze auch erfolgreich umgesetzt werden können: Sie sollten positiv belegt und möglichst konkret gefasst sein.
Dem wollen wir auch mit unseren Anregungen zum Haushalt und den Vorhaben der Kommune folgen:
- Das Baufeld 1 und 2 des ehemaligen EHR-Areals, die neue „Grunbacher Höhe“ muss in 2021 attraktiv vermarktet werden! Die Baufelder 3 und 4 sollten in spätestens 3-4 Jahren folgen.
- Der KiTa-Neubau in der Wilhelm-Enssle-Straße muss mittels Projektsteuerer kostenoptimal, transparent und zeitnah (bis 2023) umgesetzt werden. Dazu werden wir noch viele Diskussionen im Planungsausschuss bzw. Gemeinderat führen.
- Der KiTa-Neubau Lilienstraße muss vor einer Umsetzung nochmals grundsätzlich diskutiert werden. Der von uns bereits letztes Jahr angeregte Waldkindergarten oder ein naturnaher Kindergarten sind noch nicht ausreichend betrachtet und bewertet. Eine konkrete Kindergartenbedarfsplanung liegt noch nicht vor. Umsetzung Lilienstraße und weitere Kosten dafür nur, wenn wirklich nötig und keine vertretbare kostengünstigere Alternative möglich!
- Die von uns seit Jahren geforderten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgebühren müssen nun endlich diskutiert und umgesetzt werden. Solche werden von anderen Kommunen bereits seit Jahren erhoben und sind ein Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei gleichzeitiger Entlastung des Haushalts.
- Die Digitalisierung ist mit Homeoffice im Rathaus, Videounterricht an den Schulen, dem Ratsinfosystem für den Gemeinderat und vielem mehr bereits vorangetrieben worden, muss aber zwingend und mit Nachdruck weiter ausgebaut werden! Nicht nur das Netz und die Anschlüsse, nicht nur Hardware an Schulen, sondern auch die Digitalisierung von Bürgerdiensten, Hallenbelegungsplänen und vielem mehr ist umzusetzen. Corona hat uns gezeigt, was hier alles möglich ist. Nicht nur hierbei, aber vor allem auch in Zeiten leerer Kassen, sind die Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit zu prüfen.
- Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung müssen mehr Bedeutung bekommen, die Kommune muss hier Vorbild für ihre Bürger sein! Absichtserklärungen und Zielbilder (CO2-Neutralität der Kommune in 2050) sind zwar notwendig, ersetzen aber nicht konkrete und auch zeitnahe Maßnahmen. Es muss daher in den nächsten beiden Jahren ein Konzept mit Meilensteinen zur Erreichung dieses Ziels erarbeitet werden. Nur so wird die Zielerreichung messbar. Dazu sind dann entsprechende Mittel im Haushalt einzustellen.
- Die neue Mitte wurde jahrelang aus verschiedenen Gründen und zuletzt wegen der aktuellen Hochwassergefahrenkarte auf Eis gelegt. Hier wird es Zeit die Planungen wieder aufzunehmen, diese zu großen Teilen gemeindeeigene Fläche ist viel zu wertvoll um weiter ungenutzt zu bleiben.
- Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, um Remshaldens Profil als attraktiven Wohnort und familienfreundliche Kommune in der herrlichen Natur vor den Toren Stuttgarts zu stärken muss, sobald die Pandemie das zulässt, das Zielbild mittels IGEK (dem integrierten Gemeinde Entwicklungskonzept) mit den Bürgern erarbeitet werden, der Sportentwicklungsplan weiter bearbeitet und ein Umsetzungsplan erstellt werden und die Planungen für die Konversion der Riedwiesen in ein attraktives Mischgebiet wieder aufgenommen werden.
Grundsätzlich sollte der Haushaltsplan nicht die Summe unserer aktuellen Entscheidungen abbilden, sondern bereits den Rahmen für zukünftige Planungen geben. Dazu ist es nötig in der Haushaltstrukturkommission geeignete Zielwerte in Form von Kennzahlen festzulegen, die dem Gemeinderat vorgeschlagen und abschließend beschlossen werden sollen.
Wir bedanken uns bei unserem BM Herrn Molt und unserer Kämmerin Frau Scheidel für ihren unermüdlichen Einsatz und die jederzeit vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Zudem bedanken wir uns heute nochmals ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung, der Kindergärten und des Bauhofes für ihren Einsatz im letzten Jahr und wünschen allen weiterhin Gesundheit und Freude an der Arbeit.
Bei unseren Gemeinderatskolleginnen und Kollegen bedanken wir uns für die konstruktive und sachliche Zusammenarbeit und wünschen uns eine solche auch für das laufende Jahr.
Bei allen Remshaldener Mitbürgern bedanken wir uns für den Zusammenhalt und die konsequente Beachtung der Corona-Schutzvorschriften in der aktuell schweren Zeit.
Wir wünschen uns allen stabile Gesundheit und baldige Rückkehr zur Normalität.
Dem Haushaltsplan 2021 und den Wirtschaftsplänen unserer Gemeindewerke stimmen wir zu.
Für die Fraktion der BWV
Tobias Schädel
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